Ulrich Clancett ist seit 1999 Pfarrer in Jüchen. Der Ort gehört zu einer von 71 sogenannten „Gemeinschaften der Gemeinden” (GdG) des Bistums Aachen. „Diese Gemeinschaften sind teilweise mit einer Pfarrei deckungsgleich, teilweise bestehen sie aus mehreren Pfarreien”, sagt ein Sprecher des Bistums. Vor dem Fusionsprozess gab es dem Bistum zufolge in Aachen 530 Pfarreien (Stand 2006). Aktuell (Stand 2019) ist das Bistum in 317 Pfarreien und neun Pfarrvikarien, fünf Filialgemeinden und fünf Kapellengemeinden unterteilt. Fusionen, Aufhebungen und Neugründungen sowie Eingliederungen von Pfarreien haben zu dieser Umstrukturierung beigetragen. Pfarrer Clancett ist daher nicht nur für Pfarrei in Jüchen verantwortlich, sondern auch für drei weitere. „Früher, in den goldenen Zeiten, da war das ganz anders“, sagt der 55-Jährige. In den 70er Jahren gab es laut Clancett viel mehr Kapläne und Pfarrer für die jeweiligen Pfarreien. „Doch mittlerweile sieht das ganz anders aus“, sagt er. Die Anzahl der Geistlichen sei in den vergangenen Jahren enorm eingebrochen, es fehle an Nachwuchs. „Es gibt immer weniger Priester, die Lücken werden immer größer. Was früher viele übernommen haben, muss ich jetzt alleine machen.“
Darin sieht der Pfarrer eines der größten Probleme der katholischen Kirche. „Wir haben immer noch Strukturen, die von Verhältnissen ausgehen, die wir einfach nicht mehr haben“, sagt er. Als Pfarrer trägt er nicht mehr nur die Verantwortung für zahlreiche Messen, Taufen, Beerdigungen oder Hochzeiten, sondern etwa auch Personalverantwortung für Erzieher in fünf katholischen Kindertagesstätten. „Wir sind also nicht mehr nur Pfarrer, wir sind Manager“, beschreibt Clancett die Situation.
Seit 1999 lebt der 55-Jährige im Jüchener Pfarrhaus. „Und damit fängt die Belastung eigentlich schon an. Ich wohne an meinem Arbeitsplatz – das ist ein offenes Haus, eine feste Anlaufstelle.“ Er habe häufig ein schlechtes Gewissen, wenn er nicht alle Pfarreien gleich behandeln kann, sondern sich zwangsläufig in Jüchen öfter aufhält als in einer anderen Pfarrgemeinde, die er ebenfalls betreut. „Das belastet einen emotional“, sagt Clancett. Um der Überbelastung entgegenzuwirken, versucht Clancett, sich einen Tag in der Woche freizunehmen. „Man muss schon sehr auf sich selbst aufpassen und auch mal für Freizeitausgleich sorgen“, sagt er. Dazu gehöre, dass man sich mit Dingen befasse, die nichts mit dem Beruf und der Berufung zu tun haben. „Wenn das nicht passiert, kommt man aus dem Hamsterrad nicht heraus.“
Von 2008 bis 2018 übernahm er das Amt des Regionaldekans in der Region Mönchengladbach. In dieser Zeit hatte er die Aufsicht über die Kleriker in seinem Bezirk und wurde mit vielen unterschiedlichen Krankheitsbildern konfrontiert. Dazu zählten Herzinfarkte, Alkoholismus oder auch Schlaganfälle. „Natürlich sind das auch Krankheiten, die nicht zwangsläufig auf Überlastung zurückzuführen sind“, sagt der Pfarrer. Auffällig sei es dennoch gewesen. „Die Leute kippten reihenweise um.“ Das liege zwar zum einen an der Überbelastung der Pfarrer, zum anderen aber auch an der Tatsache, dass immer weniger Menschen in die Kirche gehen. „Da denkt man sich: 'Ich arbeite doch schon rund um die Uhr, und die Kirche wird trotzdem immer leerer'“. Daher hat der Pfarrer eine klare Botschaft: „Wir müssen dringend darüber nachdenken, neue Leitungsmodelle zu schaffen. Es sollten auch nichtgeweihte Personen eine Pfarrei leiten dürfen, zum Beispiel auch Frauen. Wir sollten da innovativ nach vorne gehen.“
Nicht nur die Kirche, sondern auch das klassische Gemeindebild verändert sich, sagt Jan Opiéla. Der 65-Jährige ist bundesweit in der Seelsorge mit Roma und Sinti tätig und lebt im Sendungsraum Köln-Ehrenfeld – einer Großpfarrei –, zusammen mit dem dortigen Pfarrer Klaus Kugler. Viele Pfarrer in den neu zusammengestellten sogenannten Sendungsräumen würden gezielt für diese Stellen angesprochen und dächten entsprechend anders. Vermehrt gebe es in diesen Großpfarreien „einen Typ Pastor, der als Pfarrer zu delegieren weiß, der das Große im Blick hat und das Kleinteilige entweder schlichtweg ignoriert oder so einbindet, dass es keine Forderungen mehr stellt, er zumindest der Sache nicht mehr nachzugehen braucht“, sagt Opiéla mit Blick auf die verschiedenen Diözesanmodelle der Kirche.
Dazu trage auch bei, dass das klassische Gemeindebild in der katholischen Kirche nicht mehr so relevant sei wie früher. Es gebe gewissermaßen eine Kirche auf Bestellung, sagt der 65-Jährige: „Die Menschen rufen bestimmte Leistungen wie Erstkommunion, Taufe oder Beerdigung ab und ziehen sich dann mehr oder minder zufrieden ins Private zurück.“ Das früher für viele wichtige Leben in der Gemeinschaft als ‚Kirchengemeinde‘ finde nur noch in Facetten statt: über die kirchliche Kindertagesstätte etwa, Jugendfreizeiten oder Chorgemeinschaften – jedoch nicht unbedingt mit Kontakt zum regelmäßigen gottesdienstlichen Geschehen.
Die Pfarrer seien deshalb vermehrt gefordert, diese Bedürfnisse zu bedienen und sich darauf einzustellen. Dann, so Opiéla, bliebe auch noch Raum, neue Felder zu entdecken und für Kirche nutzbar zu machen. So sei ihm beispielsweise im Bistum Trier eine ‚Kapellen-Mannschaft‘ begegnet, welche mit unendlich viel Engagement eine kleine Wallfahrtskirche im Saarländischen am Laufen hält. „Und in der tiefsten Eifel belebt ein reines Frauen-Power-Team mit einem sonntäglichen Kirchencafé einschließlich flott gestalteter Wortgottesfeier einen ansonsten verwaisten Ort von Kirche wieder“, sagt Opiéla. Bei ihm selbst schließlich gab es in der Vorweihnachtszeit einem Neubaugebiet ohne jegliche Infrastruktur im Kirchenzelt seiner Dienststelle mit allen christlichen Kirchen eine Begegnung bei Plätzchen und Mitsingen als andere Form eines Kirche-Kennenlernens. „Dafür braucht es lediglich etwas Kreativität und Teamfähigkeit“, sagt der Pfarrer, der seinen Beruf seit mehr als 30 Jahren ausübt. Auch das ist Kirche, ist er überzeugt, wenn auch anders als früher und neu definiert.
Peter Jansen, 61, ist seit fast 33 Jahren als Seelsorger tätig, derzeit eigentlich hauptberuflich als Krankenhauspfarrer in Velbert und Diözesanpräses, also geistlicher Begleiter, des Kolpingwerks im Diözesanverband Köln. Seit Februar ist er zudem Pfarrverweser der katholischen Gemeinde St. Josef und Martin in Langenfeld. Der dortige Priester Stephan Weißkopf hatte aus nicht bekannten Gründen darum gebeten, vom priesterlichen Dienst entbunden zu werden. Im Interview spricht Jansen darüber, welche Herausforderungen eine so kurzfristige neue Stelle mit sich bringt.
Wie schwierig ist es, sich so spontan an eine neue Pfarrstelle und die seelsorgerischen Aufgaben in einer Gemeinde zu gewöhnen?
Zwischen Weihnachten und Neujahr wurde ich seitens der Personalabteilung unseres Bistums gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, für einige Monate zusätzlich Pfarrverweser in Langenfeld zu werden. Nach kurzem Überlegen und Bedenkzeit bis zum 2. Januar habe ich zugestimmt. Von 1991 bis 1995 war ich schon einmal in drei von jetzt acht Gemeinden der Pfarrei tätig, als Kaplan in Richrath, Wiescheid und in der Hart. Der 27. Januar war mein erster Tag in der Gemeinde. Ich habe mich sehr schnell an die Aufgaben gewöhnt, obwohl ich immer noch in einiges hineinwachsen muss – was sich jetzt durch das Coronavirus zudem sehr verändert. Viele hauptamtliche Mitarbeitende haben mich sehr freundlich willkommen geheißen. Es gibt eine sehr gute Kommunikation über Telefon, Internet und wenn ich vor Ort bin.
Kommt es öfter vor, dass Pfarrstellen so kurzfristig neu besetzt werden müssen?
Gott sei Dank kommt eine solch überraschende Situation eher selten vor. Im Kreisdekanat Mettmann gibt es aber schon eine ganze Reihe Pfarrer, die jetzt oder demnächst mit einer weiteren Stelle betraut werden, manche ganz, manche vorübergehend. Das ist eine große Umstellung für die Menschen und besonders für die hauptamtlichen Mitarbeiter als Seelsorger in den Verwaltungen, Pfarrbüros, Kitas und anderen Einrichtungen vor Ort. Auf einmal ist da ein Neuer, der sich einarbeiten muss, viele Infos braucht, mit den Gremien wie Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand aber auch mit dem Seelsorgeteam zusammenarbeiten soll. Ich bin sehr froh, dass das alles in Langenfeld fast reibungslos klappt.
Wie hat die Gemeinde auf den plötzlichen Weggang Ihres Vorgängers reagiert?
Für die Gemeindemitglieder war der Weggang sehr überraschend. Sie haben aber überwiegend sehr respektvoll auf die Entscheidung reagiert und auch nicht nach Beweggründen gefragt, die er nicht genannt hatte. Viele Kirchenbesucher haben ihm auf vorgedruckten und ausgelegten Karten Grüße übermittelt und sich für seinen Dienst bedankt.
Sie sind ja nicht neuer hauptamtlicher Pfarrer, sondern Pfarrverweser. Was bedeutet das?
In dem Wort steckt „verwaist“, das ist ein Administrator für eine bestimmte Zeit. In meinem Fall wurde ich vom Erzbischof selbst bestellt, das gibt mir Rückendeckung. Die Aufgabe ist bis auf Widerruf, aber immer zeitlich befristet. Der Pfarrverweser hat aber alle Rechte eines Pfarrers, ist also Vorgesetzter des Seelsorgeteams, Vorsitzender des Kirchenvorstands und im Vorstand des Pfarrgemeinderats. Zudem ist er dem Bischof rechenschaftspflichtig. Derzeit unterschreibe ich viel, manches ist organisatorisch, manches schön – Spendenbescheinigungen zum Beispiel. Manches wie die vielen Kirchenaustritte, die ich abzeichne, macht mich auch traurig. Alle, die diesen Schritt getan haben, bekommen einen Brief von mir.
Ist es schwierig, eine Gemeinde und Pfarrei wieder zu verlassen, nachdem man dort einige Monate seelsorgerisch tätig war?
Manches werde ich bestimmt vermissen – die vielen engagierten Mitglieder der Pfarrei, die mit viel Einsatz und Phantasie mitmachen und organisieren, das gut funktionierende Pfarrbüro und die schönen Kirchen. Aber ich habe genug Arbeit in Velbert und im Erzbistum, dass ich mich dann auch wieder über etwas mehr freie Zeit freuen kann.
Fühlen Sie sich von den vielen unterschiedlichen Aufgaben manchmal überfordert?
Ich kenne die Studie, nach der fast 1000 katholische Pfarrer in Deutschland ein Burnout haben oder gefährdet sind. Ich würde mich nicht dazu zählen. Vieles in der Seelsorge macht mir auch nach fast 33 Jahren noch große Freude und Spaß. Ich bin selbst gern kreativ, schreibe Texte und arbeite mit vielen Teams zusammen, zum Beispiel im Kolpingwerk oder im Hospizverein Niederberg. Daneben habe ich aber auch noch Zeit für Persönliches, für die Natur, Urlaube und Freizeit.
Wie sehen Sie die Rolle der Bistümer beim Strukturwandel der Kirche?
Ob die Wege, die derzeit auf Bistumsebene gedacht werden, wirklich zu einem guten Ziel führen, weiß ich nicht. Seelsorge kann nur mit einem personalen Angebot verknüpft sein – Seelsorgende müssen sich Zeit nehmen können für die Sorgen und Freude der Menschen und das in einem überschaubaren Bereich und auf Augenhöhe. Engagierte brauchen Verantwortung und das ist mehr als ein Kirchen- oder Pfarrheimschlüssel, sie brauchen Unterstützung und Beratung. Frauen und Männer müssen auf Augenhöhe einen Platz haben in der Kirche.
In der Schmiede in Coesfeld sitzen Pfarrer, Pastoralreferenten und Diakon an den zusammengeschobenen Tischen. Teambesprechung im Büro der Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen der katholischen Pfarrei St. Lamberti. Die Kollegen müssen auf Stand gebracht, Fragen geklärt, Themen besprochen werden. Auch die Aufgaben der nächsten Tage stehen auf der Tagesordnung. Neun pastorale Mitarbeiter sitzen in dem Büro. Einige fehlen an diesem Tag Anfang März wegen anderer Termine. Zunächst mutet das Pastoralteam recht groß an. Doch sie betreut auch 12.000 Katholiken. Die Großpfarrei St. Lamberti entstand 2007. St. Jakobi, St. Lamberti und Maria Frieden in Coesfeld fusionierten zur Großpfarrei St. Lamberti. Hatte vorher jede einzelne Kirchengemeinde einen Pfarrer, Pastoralreferenten und eventuell noch Diakone oder Pastoralassistenten, die sich um Seelsorge und Verwaltung kümmerten, gibt es nun nur noch ein Team für diese Aufgaben. Hinzu kommt, dass nicht alle Mitarbeiter im Seelsorgeteam von St. Lamberti auch mit voller Stelle für die Pfarrei zuständig sind. So gehören zwar drei Pfarrer zu dem Team, doch Pastor Franz Westerkamp ist mit einem Teil seiner Stelle Präses des Kolping-Diözesanverbandes Münster. Der Leitende Pfarrer Johannes Arntz ist Kreisdechant. Damit stehen auf seiner Aufgabenliste auch zahlreiche Punkte, die nicht nur seine eigene Pfarrei, sondern das Dekanat betreffen, eine übergeordnete Verwaltungseinheit der katholischen Kirche, die mehrere Pfarreien in Coesfeld zusammenfasst. Pastoralreferent Matthias Bude ist auch als Schulseelsorger eingesetzt, andere für die Krankenhausseelsorge.
Unter dem Strich bleibt deutlich weniger Arbeitskapazität für die Pfarrei, als die Personenzahl vermuten lässt. Und während die Seelsorger seit der Fusion zahlenmäßig weniger geworden sind, sind es die Aufgaben nicht. Die Zusammenschlüsse im Bistum Münster sind zum einen eine Reaktion auf den Priestermangel, zum anderen sollen sie Kosten für Personal und Gebäude sparen. Seit 1999 ist die Zahl der Pfarreien von 689 auf 209 reduziert worden. Die neuen Pfarreien umfassen nun mehrere Pfarrbezirke – den meisten als Gemeinden geläufig –, die früher eigenständige Pfarreien waren. Somit braucht es weniger Pfarrer und an manchen Orten auch weniger Kirchen oder Pfarrheime. Die Zahl der katholischen Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Seniorenheime, die zu einer Pfarrei gehören, sinkt in der Regel aber nicht – oftmals kommen vor allem bei den Kitas sogar noch neue hinzu. Für die Pfarrer bedeutet das: mehr Verwaltungsarbeit, mehr Personalverantwortung, mehr Aufgaben.
Hinzu kommt, dass nach vielen Fusionen auch außerhalb der offiziellen Einrichtungen die alten Strukturen, Gruppen und Vereine an jedem Standort bestehen bleiben. Es gibt dann zwar die Großpfarrei unter der zum Beispiel drei weitere Gemeinden, früher eigenständige Pfarreien, zusammengefasst sind. In jeder alten Pfarrei gibt es weiterhin eigene Messdiener, Pfadfinder, Chöre oder Frauengemeinschaften. Jede alte Pfarrei behält ihre Ferienfreizeit oder ihr Zeltlager. Für die Pfarrer und Pastoralreferenten bedeutet das, dass sie sich auf die Standorte aufteilen müssen, um die Gruppen und Projekte kontinuierlich betreuen zu können. Oder dass sie eben zu drei oder vier Messdienerversammlungen oder Chorfesten müssen. Gleichzeitig bleiben die Pfarreibezirke für die Gemeindemitglieder faktisch weiterhin getrennt. Das kann eine wirkliche Fusion erschweren, nach der sich die Menschen mit der neuen Pfarrei identifizieren. Es führt nicht selten dazu, dass sich Gläubige abgehängt fühlen oder ihre eigene Gemeinde als Fusionsverlierer sehen. Die Gemeindemitarbeiter, die die Zusammenführungen und damit verbundene Entscheidungen wie zum Beispiel Kirchenschließungen vor Ort umsetzen und gleichzeitig ihre Aufgabe als Seelsorger wahrnehmen müssen, geraten dabei nicht nur in persönliche Konflikte, sondern auch zwischen die Fronten.
Das hat auch Pastor Johannes Arntz bei Kollegen erlebt. Er ist froh, dass das Pastoralteam in St. Lamberti nach der Fusion einen anderen Weg gewählt hat, um die Aufgaben in der Großpfarrei zu verteilen. Er selbst ist erst 2011, vier Jahre nach der Fusion, als Pfarrer nach Coesfeld gekommen. Da waren die Strukturen bereits so, dass nicht mehr jede Gemeinde der Pfarrei einen eigenen Pfarrer und Pastoralreferenten hatte. Das Team war für alle Gemeinden gleichermaßen zuständig. „Wir haben die Arbeitsbereiche aufgeteilt, nicht die alten Pfarreien“, sagt Arntz. So ist er neben seinen Aufgaben als Leitender Pfarrer für die Chöre zuständig, Pastor Thomas übernimmt unter anderem die Geburtstagsbesuche in der gesamten Pfarrei, ein Pastoralreferent ist der Ansprechpartner für die Caritas, eine Pastoralreferentin und ein Pastoralreferent betreuen die Messdiener, und so weiter.
Das hat aus Sicht des Teams nicht nur zur Folge, dass die Pfarrei gut zusammengewachsen ist, sondern auch, dass Aufgaben und Verantwortung besser auf mehrere Schultern verteilt würden. Das könne auch einer Überforderung einzelner entgegenwirken, sagt Arntz. Natürlich gebe es auch in Coesfeld noch Gemeindemitglieder, die am Alten hängen, sagt Pastoralreferent Walbert Nienhaus. Er ist der einzige im Team, der die Fusion der drei Pfarreien als Mitarbeiter erlebt hat. „Es gibt aber ganz viele, die die Vorteile sehen und es als Gewinn empfinden, dass wir nun viel mehr Angebote machen können als früher in den alten Pfarreien“, sagt Nienhaus. Die Messdiener seien das beste Beispiel für die gelungene Fusion. Sie sind für alle drei Kirchen zuständig. Nach der Fusion haben sie ein Herbstlager ins Leben gerufen, dass ebenfalls Kinder und Jugendliche aus allen drei Gemeinden zusammenführt. „Das ist in einer städtischen Pfarrei wie unserer aber auch einfacher als auf dem Land“, sagt Matthias Bude. „Hier können die Messdiener alle drei Kirchen problemlos mit dem Rad erreichen. Das geht nicht, wenn die Standorte zig Kilometer auseinanderliegen“. Dann sei es wohl auch nicht anders möglich, als im Pastoralteam feste Zuständigkeiten für jede Gemeinde zu verteilen.
In Coesfeld empfindet das Team es als Entlastung, dass sie die gesamte Pfarrei gemeinsam betreuen. „Durch das große Team entsteht eine tolle Dynamik. Man steht nicht alleine vor Problemen. Das macht Spaß“, sagt Pastoralreferentin Christiane Mussinghoff. Gleichzeitig sei es auch für die Gemeinde toll, dass nicht immer der Gleiche am Altar stehe oder predige, betont Arntz. „Fast alle im Team predigen auch im Gottesdienst. Die Gemeinde genießt die Vielfalt und für uns bedeutet das auch, dass jeder nur alle acht Wochen dran ist und sich intensiver mit dem Thema beschäftigen kann.“
Trotz der vielen Vorteile in einer großen Pfarrei mit großem Team sieht er auch die Veränderungen, die sich dadurch in seinem Berufsfeld ergeben haben. Von 1999 bis 2011 war er Pfarrer in St. Martin in Raesfeld. Dort war er alleine mit einem Pastoralreferenten für die Seelsorge zuständig. „So, wie ich damals als Pfarrer war, kann ich heute nicht mehr sein“, sagt der 56-Jährige. „Heute, in einer so großen Pfarrei, kann man nicht mehr jeden direkt kennen, wenn man ihm auf der Straße begegnet“. Deswegen müsse man sehr darauf achten, die Beziehungen zu den Gläubigen zu stärken. „Hat zum Beispiel eine Pastoralreferentin eine gute Beziehung zu einer Familie, versuchen wir es möglich zu machen, dass sie die Beerdigung machen kann, selbst wenn sie nicht mit dem Dienst an der Reihe wäre“, erklärt der Coesfelder Pfarrer. Es sei wichtig, mit den Menschen in der Stadt im Gespräch zu bleiben und sich im Team über Besonderheiten auszutauschen, um weiterhin die seelsorglichen Aufgaben erfüllen zu können. „Die Kommunikation ist eine bleibende Herausforderung in einer so großen Pfarrei“, sagt Arntz.
In kleineren Pfarreien sei es noch möglich gewesen, nahezu alle Bereiche selbst zu betreuen, alle Gottesdienste zu feiern, die Verwaltungsarbeit zu erledigen und die Seelsorge dennoch nicht aus dem Blick zu verlieren. Heute könne er seinen Beruf und vor allem seine Berufung als Seelsorger nur dann adäquat ausfüllen, wenn er Aufgaben abgebe. „Viele Kollegen klagen, dass sie zu wenige Zeit für die Seelsorge haben. Aber da muss ich mir Zeit für nehmen. Ich könnte nicht Pfarrer sein, wenn ich nicht die Rückbindung an meine eigentlichen seelsorglichen Aufgaben hätte“, sagt Arntz. Als erstes müsse man als Pfarrer einer Großpfarrei lernen, Aufgaben abzugeben, dass man sich auf seine Mitarbeiter, ob hauptamtliche oder ehrenamtliche, verlassen kann und ihnen Verantwortung übertragen kann. „Wenn man alles selbst machen will, dann ertrinkt man“, sagt er.
Zum Glück gebe es inzwischen vom Bistum Münster Unterstützung für die Verwaltungsaufgaben. In den katholischen Kitas werden zum Beispiel Verbundleitungen eingesetzt, die den Pfarrern viele Aufgaben der Kita-Verwaltung abnehmen. „Ich muss die Mitarbeiter dann aber auch machen lassen. Man muss den Mut haben, zuzugeben, dass nicht alles so läuft, wie man es selbst gemacht hätte, aber dass es auch so gut ist“, sagt der Pfarrer. Wenn man nur eine Kirche zu betreuen habe, könne man sich noch selbst darum kümmern, wie die Krippe oder der Blumenschmuck aussieht, wie die Messdiener verteilt werden. Bei drei oder mehr Kirchen geht das nicht mehr“, sagt Arntz und rät auch Kollegen, die sich überfordert mit ihren Aufgaben fühlen, zu schauen, wo sie sich zurücknehmen können. „Ich war früher auch sehr gut darin als erstes zu sehen, was ich alles besser oder anders machen könnte. Verantwortung abzugeben ist ein Lernprozess, aber sonst schafft man es nicht.“
Und weil er diesen Schritt für sich geschafft hat, war es dann auch kein Problem, sich im Sommer 2019 in drei Monate Auszeit zu verabschieden. Das Bistum Münster bietet seinen Priestern einmal in der Dienstzeit diese Möglichkeit. Nur wenige machen davon tatsächlich Gebrauch. Und viele erst dann, wenn sie sich schon ausgebrannt fühlen. Für Arntz war das nicht der Grund. Er wollte neue Impulse für seine Arbeit finden, sich in einem neuen Umfeld erleben. „Ich wollte meinen Horizont nochmal mit anderen Dingen erweitern. Ich wusste ja, dass es hier auch ohne mich weiterläuft“, sagt er. Also arbeitete er an der Algarve in Portugal in einem Biogarten, in Frankreich auf einem Weingut und als Praktikant im Berliner Hotel Lindner. So eine Sabbatzeit könne er nur allen Kollegen empfehlen. Bei der Hoteldirektorin habe er zum Beispiel gelernt, wie man Mitarbeiter einbindet, Verantwortung abgibt und trotzdem die einzelnen Aufgaben und Mitarbeiter im Blick hält. Und neben dem Lerneffekt könne es auch helfen, im Priesteramt nicht auszubrennen.
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